Mein Post zum Weltfrauentag am 8. März hat Wellen geworfen. Ich habe dazu viele persönliche Nachrichten erhalten. Sie äusserten Zustimmung, erzählten jedoch auch von Überforderung mit Wut, bis hin zu Aussagen wie: "Ich kenne Wut nicht" und "Wut ist einfach eine niederschwellige Energie und muss man loslassen."
Also lasst uns über Wut reden. Denn Wut ist ein Gefühl, das ich gut kenne. Sehr gut sogar.
Dafür zurück in meine früheste Kindheit. Als gefühlsstarkes Kind geboren, lernte ich für mich aus einer kindlich beobachtenden und unbewussten Sicht, dass es gute und schlechte Gefühle gibt. Wut und Trauer gehörten klar zu letzteren. Also wurde ich ein kleiner, unkomplizierter Sonnenschein, der jedoch fast an den ungeliebten Gefühlen erstickte. Besonders an der Wut, meiner Wut. Denn in mir steckte ein grosser Gerechtigkeitssinn. Immer wieder wagte ich es bereits als Kind auf Missstände hinzuweisen oder gar lautstark einzustehen, um dann zu hören: "Was hast du bloss? Jetzt tu doch nicht so! Hab dich nicht so! Sei nett." Ich stand ein für mich, für andere, für die Welt. Gleichzeitig trug ich die grössten Ängste des Verlassenwerdens in mir. Und so war ich im Dilemma gefangen zwischen Mutig sein und Verlassenheitsangst. Ich war gefangen darin, keinen Ausdruck meiner Fassungslosigkeit und meiner Empörung zu finden, der auch als solcher erkannt und angenommen wurde. Das Resultat war toxisch für mich und später auch für meine eigene Familie: Grosse innere Anspannung, starke emotionale Schwankungen, verspannter Kiefer und Zähneknirschen, häufig Bauchschmerzen, Verdauungsprobleme, Migräne, erster Bandscheibenvorfall mit 18 Jahren, Zwerchfell - Verspannungen und anderes.
Alles Folgen von zurückgehaltenen Gefühlen, die keinen Raum für einen angemessenen Ausdruck bekamen. Die nicht als solche erkannt wurden und bejaht, stattdessen abgewertet und zurückgestossen wurden.
In meiner Praxis berichten mir zahlreiche Menschen von ähnlichen Erlebnissen.
Doch was ist Wut?
Sie ist schlicht eine Primäremotion. Genauso wie Trauer, Angst, Freude. Mit ihr wurden wir geboren. Wir alle, ausnahmslos. Sie wird begleitet von einer psychophysiologischen Reaktion und zeigt sich daher über den Körper. Mit ihrer innenliegenden gesunden Aggression liefert sie uns die Überlebensenergie, die uns beim Selbstschutz und in der Selbstbehauptung unterstützt und im Ernstfall auch Kampfenergie freisetzt. Grossartig, nicht?
Wut ist eine befreiende Energie, die uns unter anderem Hinweise gibt, wenn etwas nicht stimmt. Sie zeigt sich bereits frühzeitig, wenn unsere Grenzen überschritten werden oder wenn wir uns bedrängt fühlen. Das geschieht oft, noch bevor uns überhaupt bewusst ist, dass es gerade geschieht.
Sie unterstützt uns dabei, Klarheit zu schaffen. Sie unterstützt uns in der Essenz der intrinsischen heiligen Wut. Sie ist Antreiberin, um unsere Visionen zu mobilisieren. Denn Wut ist eine Yang-Kraft. Eine nach aussen gerichtete Kraft, die altes in Liebe zerstört, um neuen Platz für Neues zu schaffen.
Was braucht Wut?
Sie braucht Sicherheit. Innere Sicherheit, wie Äussere.
Wieso Sicherheit? Wut kann Angst machen. Wenn du schon mal unbändige Wut in dir gespürt oder sie beobachtet hast, verstehst du, was ich meine. Oft zeigt sie sich zuerst im Bauch. Anfänglich breitet sie sich warm und rot über Brust, Arme Hals Schulter, Nacken und Kopf aus, um dann heiss und und mit viel Druck einen Weg aus dem Körper zu suchen. Wie ein Dampfkochtopf.
Die meisten von uns haben niemals eine sichere und heranführende Co-Regulierung in diesem überwältigende Gefühl erleben dürfen. Stattdessen erfuhren sie von ihrer Umgebung Ablehnung. Dabei wäre es simpel: Menschen brauchen für den Anfang jemanden, der mit ihnen im Orkan steht. Jemand, der in sich verankert ist und bei sich bleiben kann. Mit uns das Gefühl bejaht. Ohne Drama, dafür als Leuchtturm im Aussen fungiert. So, dass daraus eine Erfahrung und ein verkörperter kohärenter Ausdruck gefunden werden kann.
Es ist nie zu spät, dies auch jetzt noch zu lernen. Ich selbst durfte die Wut in mein Leben integrieren. Eine neugierige Selbsterforschung führte mich - unterstützt durch meine grossartigen co-regulierenden Begleitungsmenschen, meinen Ausbildungen und Mentor:innen -hinein in die Hingabe. Hingabe und der Bejahung von dem, was ich in mir erlebe, ohne das ich mich darin verliere.
Besagte Hingabe, die am Weltfrauentag als Rettung für die Weiblichkeit angepriesen wurde, liebe ich auch. Aber nicht, weil ich mich damit von der Wut abwenden will, sondern um mich ihr zuzuwenden.
Hingabe bedeutet für mich, Hingabe an das Leben selbst. Mich ihm auszusetzen und zu öffnen. Von ihm füllen, berühren und durchkneten zu lassen. Ohne mich darin zu verlieren oder daran zu haften. Hingabe und Öffnung sind weibliche Energie. Und wie immer braucht es das Gleichgewicht. Wo Yin, da Yang. Es ist der Rhythmus zwischen den beiden, der das Gleichgewicht ausmacht.
Was ich in meinen Begleitungen sehe, ist jedoch meistens die Unterdrückung der Energie. Dies führt häufig zu Wutausbrüchen, begleitet von gleichzeitiger Scham darüber, dass sie das Gefühl haben, die Kontrolle zu verlieren oder sich überhaupt so zu fühlen oder eben, die Ablehnung oder gar nicht mehr in Kontakt sein mit der eigenen Wut.
Für mich immer wieder spannend zu sehen, dass auch in meinen - geliebten!- spirtiuellen Kreisen, dies immer wieder bestärkt wird. Wie oft hörte ich selber und erfahre ich von meinen Klient:innen, dass sie ihnen dieser Rat-Schlag immer wieder selber mitgegeben wurde: “du musst die Wut einfach loslassen und vergeben.” Wirklich? Da steht jemand im tiefsten Schmerz und darf sich von einer sanften Stimme belehren lassen, dass man einfach verzeihen soll, beziehungsweise es einfach noch nicht geschafft hat, höher zu schwingen. Licht, Liebe und Bewusstsein getarnt als Blaming und Shaming. Das oft beide Seiten diesen Schmerz und Trauma in sich tragen, liegt wohl nahe.
Was stattdessen wirklich dienen würde, wäre: “Ich sehe dich in deinem Schmerz. Ich anerkenne deinen Schmerz. Ich ehre deine heilige Wut. Deine Wut, der du nie einen geeigneten Ausdruck schenken durftest und so auch deine Grenzen nie adäquat verteidigen konntest. Ich sehe dich und deinen Scham, weil du dich so fühlst.” Es braucht eine ausgestreckte Hand, die hält und da ist. Ohne Urteil.
Denn sorry, das funktioniert nicht. Alles, was wir unterdrücken, bahnt sich einen toxischen Weg. Und ja, ich weiss wovon ich spreche. Ich habe eine Ahnenlinie hinter mir, deren Verhängnis genau das wurde. Das Resultat: eine unzählige Anzahl von toxischen Muster, unglaubliches Leid durch psychischen und physischen Schmerz.
Wie können wir uns selbst unterstützen?
Wir brauchen in uns eine Schale, die sich so ausdehnen kann, dass die Wut, die wir in uns erfahren, eine sichere Heimat bekommt. Dieser Weg führt über den Körper und braucht am Anfang eine co-regulierende und sichere Begleitung, die uns in kleinen Schritten heranführt. Damit wir in uns erfahren und lernen, dass wir diese Energie sicher fühlen und bewegen können, ohne Verurteilung. Dafür im tiefen Vertrauen, dass sie für uns einen wichtigen Hinweis mit sich trägt.
In der Wut liegt ein unglaublich kraftvolles Potential. Was wäre alles möglich, wenn wir diese Energie für uns und unsere Visionen einsetzen könnten?
Wie das geht? Dafür habe ich eine Leadership Workshop Reihe kreiert:
“Move your Emotion - Wut Vol.1” widmet sich genau diesem Thema. Eine spannende Tagesreise, zum Annähern, Verbinden und vielleicht sogar Freundschaft schliessen mit dieser transformierenden Kraft.
oder
für alle die sich immer noch zurückhalten:
das Leadership Training - damit deine Vision endlich erfolgreich fliegen darf.
oder
falls du eine Einzelbegleitung speziell auf dieses Thema wünschst, kannst du mich per Mail kontaktieren, so dass aus Erstarrung, Explodieren, Taubheit und Übererregung wieder Lebendigkeit in dein Leben einkehren kann.
Flieg Adler, flieg
Janine
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