Schwellenmomente des Nervensystems
- Janine Estermann
- 23. Apr.
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 30. Apr.

Die kleine Schwelle, die alles verändert
Warum bewusste Alltagsübergänge für ADHS, Trauma, feinfühlige Leader:innen, Coaches, Therapeuten und ein sensibles Nervensystem so entscheidend sind.
In meinem letzten Instagram-Beitrag ging es um die Kraft der bewussten Übergänge.
Um jene unscheinbaren Schwellen im Alltag, die wir so oft übergehen und deren Wirkung wir unterschätzen.
Doch was passiert eigentlich im Körper, wenn wir von einem Moment zum nächsten springen? Und warum reagieren gerade feinfühlige Menschen – mit ADHS, Trauma oder in helfenden und führenden Rollen – oft so intensiv an diesen Übergängen?
Zwischen Reiz und Reaktion liegt die Schwelle
Ein nervöses Zucken im Bauch. Ein plötzlicher Rückzug. Eine Irritation, die „eigentlich keinen Grund“ hat. Das sind typische Signale eines Nervensystems, das eine Schwelle nicht gespürt hat.
Vom Coachinggespräch zurück ins Private.
Vom Bildschirm in die Begegnung.
Vom Geben ins Empfangen.
Vom Kontakt in den Rückzug.
Gerade Menschen, die mit anderen arbeiten – Coaches, Therapeut:innen, Führungskräfte –aber auch Menschen mit ADHS oder Trauma-Erfahrung, haben Nervensysteme, die sehr feine Übergänge wahrnehmen. Und schnell reagieren.
Warum diese Momente so viel bewirken.
Viele meiner Klient:innen – ob Führungskraft, Coach oder neurodivergent – erzählen mir Ähnliches:
„Ich war ganz im Flow und dann kam der Crash.“
„Ich war plötzlich gereizt, überfordert.“
„Ich wollte einfach nur noch raus.“
„Es ging alles zu schnell, ich bin innerlich verschwunden.“
"Ich wusste gar nicht, was mit mir passierte. Es war einfach zuviel"
"Es fühlt sich plötzlich wie Nebel an"
Was hier häufig übersehen wird: Nicht der Inhalt der Situation war zu viel, sondern irgendwo auf der Strecke vorher, wurde ein Übergang übersehen, eine Schwelle, ein Zeichen.
Das System hatte keine Chance, mitzukommen. Das führt zu Stress, Rückzug, Überforderung – oder in Neurodivergenten-Sprache: zu einem plötzlichen „Crash“.
Somatic Leadership & Nervensystemregulation:
Selbstführung beginnt im Dazwischen
In meiner Begleitung arbeite ich sehr oft mit Menschen, die viel Verantwortung tragen, für andere, für Teams, für sich selbst. Viele haben ADHS, einen Traumageschichte im Hintergrund oder ein feines, schnell schwingendes oder erstarrtes Nervensystem.
Sie führen. Halten. Spüren. Doch sie verlieren sich oft an genau diesen Schwellen zwischen den Dingen.
Das ist keine Schwäche. Es ist ein Ruf nach Raum, Regulation und Rhythmus.
Bewusste Übergänge sind kein Luxus – sie sind somatische Selbstführung in Aktion.
Dort beginnt echte Führung: zwischen dem einen Atemzug und dem nächsten.
Mini-Übung: Der bewusste Übergang
Für Coach, Leader:in, Viel-Fühlende
Dann, wenn du von einer intensiven Phase in die nächste gehst. Sie hilft dir, dein Nervensystem zu beruhigen – und präsent zu bleiben:
1. Stopp
Halte kurz inne – am Ende eines Gesprächs, vor dem nächsten Meeting, beim Heimkommen.
2. Spüren
Wie fühlt sich dein Körper gerade an? Gibt es Unruhe, Enge, Leere?
3. Atmen
Ein tiefer Atemzug durch die Nase – langsam ausatmen durch den Mund.
4. Bennen
„Ich verlasse gerade etwas.“„Ich betrete etwas Neues.“Nimm innerlich Abschied – und heisse das Neue willkommen.
5. Bewusst beginnen
Geh mit einem klaren Schritt weiter. Dein Tempo. Deine Präsenz.
Und auch, wenn mal ein Moment war, den du verpasst hat, dich von hinten überrollt hat, dann kannst du jederzeit danach, wenn du bemerkt hast, dass da wohl eine Schwelle war nachspüren: "Ah da war eine Schwelle. Wie schön, JETZT kann ich das spüren".
Es ist nie zu spät. Es ist ein Training. Immer und immer wieder. Das ist das wunderbare. Im JETZT nachspüren, was da noch in uns nachwirkt.
Kleine Übergänge – grosse Wirkung
Ob du Coach bist, Führungskraft, Therapeut:in, Mensch mit ADHS oder feinfühliger Visionär:in, dein Nervensystem verdient bewusste Übergänge.
Sie regulieren und erden. Halten dich verbunden. Sie unterstützen dich dabei, bei dir zu bleiben, auch in turbulenten Zeiten. In Zeiten, in denen du sehr bewegt bist. Im Innen wie im Aussen. Wenn du viele Kontakte hast, aber auch in kleinen Alltagsmomenten, bevor du deinen Liebsten begrüsst.
In diesem Sinne wünsche ich dir achtsame bewusste Momente der Übertritte. Vom alten das gerade abgeschlossen wurde, in ein neues bewusstes JETZT.
Wenn du dir dabei Unterstützung wünscht dann schau doch hier vorbei:
Du musst es nicht selbst tun, denn das hast du bereits seit langen Zeiten. Stärke ist, wenn wir uns anderen zumuten und zeigen in allen Facetten und die Hand die uns gereicht wird in entscheidenden Momenten auch annehmen können. Damit wir dies im Alltag auch wirklich leben können, wonach unser Herz sich sehnt.
Flieg Adler, flieg
Janine